Hertha BSC II-Spieler Neuendorf: „Ich sehe mich als Freizeitsportler“

Zurück zur Übersicht
Er war und ist eine echte Persönlichkeit im deutschen Fußball. Auch wenn er Titel eher spärlich gesammelt hat und auch in der Nationalmannschaft nur Zaungast geblieben ist, so hat Andreas „Zecke“ Neuendorf in Fußball-Deutschland durchaus seine Spuren hinterlassen. Am 9. Februar wird er seinen 38. Geburtstag begehen und wird diesen auf dem Fußballplatz erleben, denn bei seinem langjährigen Arbeitgeber Hertha BSC lässt er seine Karriere in der U23-Mannschaft in der Regionalliga Nordost ausklingen. Im Gespräch mit „DFB.de“ äußert sich der Publikumsliebling des Hauptstadtvereins zu verschiedenen Themen.

Der überaus authentische Neuendorf ist mit seinen fast 40 Jahren auch in der 4. Liga eine echte Rarität. Dennoch spürt der Spieler seine bald 38 Jahre nicht, wie er „DFB.de“ verraten hat: „Als ich vor einigen Tagen mal genauer in den Spiegel geguckt habe, dachte ich, dass ich vom Jahrgang 1985 und nicht von 1975 wäre. Allgemein sind Zecken erst platt, wenn sie verbrennen. So ähnlich ist es bei mir. Im Klartext: Ich bin noch längst nicht verbrannt. Der Fußball macht mir auch mit fast 38 Jahren noch viel Spaß und hält mich jung. Die Lust darauf, ein Spiel zu gewinnen, ist noch immer da und groß.“
Bereits im Jahr 2009 mit 34 Jahren hat sich „Zecke“ für das Karriereende entschieden. Allerdings wollte der ehrgeizige Mittelfeldspieler sich nicht mit einem Zweitliga-Abstieg verabschieden. Dies ist ihm mit seinem damaligen Arbeitgeber nämlich passiert, sodass er sich zur Fortsetzung seiner Kickerkarriere letztlich doch entschließen konnte: „Nach dem Abstieg hatte ich damals ein schlechtes Gewissen. Es war aber zu großen Teilen eine Bauchentscheidung, doch weiterzumachen, weil mich Ingolstadt damals unbedingt halten wollte. Fest steht aber: Meine Karriere auf der großen Bühne in der Bundesliga und 2. Bundesliga ist vorbei. Ich sehe mich nun als eine Art Freizeitsportler, der jeden Tag trainiert.“
Auf dem Fußballplatz überzeugte der hochveranlagte gebürtige Berliner mit einer ungeheuren Präsenz. Häufig zog er die Blicke auf sich. Dies wird an seinem Geburtstag jedoch nicht passieren, wie er deutlich macht: „Ich bin ein Mensch, der eigene Geburtstage mit seinem Bekanntenkreis nicht großartig feiert. Ich stand in den vergangenen Jahren oft genug im Mittelpunkt. Nun können und sollen lieber andere mal die Korken knallen lassen.“ Auf dem Platz tut er dieses deutlich seltener, denn in seiner bisherigen Saisonbilanz stehen bisher erst acht Partien, was deutlich steigerungsfähig erscheint. Für Neuendorf war dies jedoch explizit abgesprochen, wie er gegenüber „DFB.de“ deutlich macht: „Es war vor Saisonbeginn angedacht, dass ich weniger spielen sollte. Wir verfügen in diesem Jahr über viele talentierte Offensivkräfte, die sich beweisen sollen. Es bringt dem Verein und unserem Nachwuchs mehr, wenn ich beim Training mitkämpfe und schwitze
. Ich möchte eine Art großer Bruder sein, der dem Rest der Mannschaft bei allen Sachen mit Rat und Tat zur Seite steht.“
Viele Hertha-Fans würden liebend gerne Neuendorf noch einmal bei den Profis mitspielen sehen. Zuletzt passierte diese Situation vor über zwei Jahren. Nach seiner Ansicht soll sich dieses jedoch zukünftig nicht unbedingt wiederholen: „Grundsätzlich schlage ich ungern Bitten ab. Wenn unser Cheftrainer Jos Luhukay mich wirklich fragen sollte, würde ich zuerst einmal versuchen, ihm ein Nachwuchstalent schmackhaft zu machen. Wir haben viele Jungs in der U23, die das Zeug dazu besitzen. Bei meinem letzten Kurzeinsatz bei den Profis im Dezember 2010 gegen Erzgebirge Aue waren viele Faktoren zusammengekommen. Ich saß wegen personeller Probleme auf der Bank, und das Publikum forderte beim Stand von 2:0 mit Sprechchören meine Einwechslung. An meinen offiziellen Bundesligaabschied gegen Bayer Leverkusen im Mai 2007 denke ich gerne zurück. Es war der schönste Abschluss, den ich mir vorstellen konnte. Die Erinnerung daran möchte ich deshalb auch nicht durch erneute Comebacks kaputt machen.“
Im kurzen Rückblick auf seine Karriere zeigt er sich überaus zufrieden mit dem Erreichten. Allerdings trauert er ein wenig einem Einsatz in der deutschen Nationalmannschaft hinterher, da diese Tatsache sein Glück perfekt gemacht hätte. Immerhin zeigt er für den damaligen Nationaltrainer Erich Ribbeck allerdings auch Verständnis, der sich letztlich damals nicht zu einer Einwechslung von Neuendorf durchringen konnte: „Eigentlich fehlt mir nichts. Viele Millionen Menschen träumen davon, einmal ein Bundesligaspiel zu bestreiten. Ich durfte 200 Partien spielen und bin für jede einzelne Minute dankbar. Etwas schade war, dass es 1999 mit einem Einsatz in der Nationalmannschaft nicht geklappt hat. Beim 4:0 im EM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland hatte mich der damalige Bundestrainer Erich Ribbeck kurzfristig in den Kader berufen. Es war geplant, dass ich für Christian Ziege eingewechselt werde. Allerdings hat Christian "leider" drei Tore erzielt - da hätte seine Auswechslung etwas blöd ausgesehen.“
Neuendorf hat ein herausragendes Talent. Leider stand er sich zum Teil auch selbst im Weg. Verletzungen und möglicherweise auch zuviel Lockerheit im Umgang mit dem Profifußball haben eine noch erfolgreichere Karriere verhindert. Offensichtlich war jedoch die Tatsache, dass Neuendorf eine herausragende Technik besessen hat und deshalb nicht zu Unrecht von Trainer Jürgen Röber als „echter Straßenfußballer“ bezeichnet worden ist. Auf die Frage, ob es solche Art von Kicker auch heutzutage noch gibt, kann der bald 38-Jährige antworten: „Ja, absolut. So genannte Straßenfußballer gibt es durch die vielen Nachwuchsleistungszentren in Deutschland zwar weniger, aber sie sterben nie aus. Im heutigen Geschäft sind mögliche Ablenkungen durch Medien oder andere Dinge viel größer. Doch Straßenfußballer sind immer bei der Sache. Ein gutes Beispiel ist unser Jungprofi Hany Mukhtar, der bereits in der 2. Bundesliga zum Einsatz gekommen ist. Wenn er mit mir spricht, fragt er nicht, wo die beste Discothek in Berlin ist. Bei Hany dreht sich alles nur um Fußball.“
Zu Neuendorf gehören auch gewisse Emotionen, die teilweise auch ein wenig komisch anmuten, wie auch im Jahr 2008, als der leidenschaftliche Spieler dem Schiedsrichter sogar während eines Spiels den Stift geklaut hat: „Ich würde gerne sagen, ich bin ruhiger geworden. Dann müsste ich aber lügen. Denn ich kann auch mit 37 Jahren nicht verlieren. Zur Sache mit dem Stift: Mit Ingolstadt haben wir damals im DFB-Pokal gegen den Hamburger SV gespielt. Beim Stand von 1:2 wurde ich meiner Meinung nach im Strafraum gefoult. Der damalige Schiedsrichter Dr. Jochen Drees ließ weiterspielen, und der HSV traf im Gegenzug zum 3:1-Endstand. Ich bin dann über den halben Platz zum Schiedsrichter und wollte ihn darauf ansprechen. Er sagte mir, dass er gerade etwas aufschreibe. Da habe ich ihm den Stift weggenommen und gesagt: "Jetzt schreibst du nicht mehr." Dr. Drees gab mir darauf die Rote Karte. Vor und nach einem Spiel bin ich der beste Freund des Schiedsrichters. Doch wenn ein Spiel läuft, wird etwas in mir ausgelöst. Ich will gewinnen und gebe auch alles dafür. Auf dem Platz erkennen mich dann selbst Freunde manchmal nicht wieder.“
Oft ist es das Karriereende von Neuendorf bekanntlich hinausgezögert worden. Nun scheint nach dieser Spielzeit das endgültige Ende anzustehen. Jeder Spieler muss sich in solch einer Situation auch fragen, in welchem Bereich er tatsächlich arbeiten möchte. Auch dazu hat Neuendorf eine klare Meinung: „Als Cheftrainer wäre ich vielleicht unterhaltsam, aber das ganze Drumherum wäre nichts für mich. Ich glaube aber schon, dass junge Spieler mir abnehmen, was ich ihnen sage. Daher würde ich wohl einen ganz guten Co-Trainer abgeben, der die Spieler in ihrer Entwicklung unterstützt. Am Saisonende muss ich gucken, wie es körperlich geht, und dann entscheiden. In absehbarer Zeit möchte ich die B- und A-Lizenz machen.“
Etwas ungewöhnlich kommt die Tatsache daher, dass er mit Wolfgang Sandhowe seinen damaligen Trainer bei den Reinickendorfer Füchsen als den Übungsleiter auswählt, bei dem er den reichhaltigsten Erfahrungsschatz wählen konnte. Ungewöhnlich deshalb, weil seine anderen Trainer teils überaus prominent gewesen sind, wie er gegenüber „DFB.de“ deutlich gemacht hat: „Ob nun Huub Stevens, der um die 20 Stunden pro Tag auf dem Hertha-Gelände war, Michael Wiesinger in Ingolstadt oder Christoph Daum in Leverkusen: Jeder Trainer war auf seine eigene Art und Weise besonders, und von jedem nimmt man etwas mit. Wenn ich einen auswählen müsste, dann wäre es Wolfgang Sandhowe. Er war bei den Reinickendorfer Füchsen mein erster Trainer im Seniorenbereich.“
Seinen Schalk im Nacken beweist Neuendorf auch bei der Frage, ob er denn tatsächlich sämtliche Trainingsübungen absolvieren muss. Darauf kann der wortgewaltige Spieler mit einem „Augenzwinkern“ antworten: „Wenn 30 Sprintübungen anstehen, mache ich ab und zu welche mit angezogener Handbremse. Da guckt Karsten Heine schon mal nicht ganz so genau hin.“
Etwas kurios kommt die Tatsache auch daher, dass Neuendorf auch als Maler aktiv gewesen ist, um seinen Künstlernamen „Zecke“ auch tatsächlich auf dem Trikot tragen zu dürfen. Über diese ganz besondere Leidenschaft weiß er zu berichten: „Es müsste schon für einen guten Zweck sein - wie während meiner Zeit in Ingolstadt, als ich ein Bild mit unserem damaligen Heim- und Auswärtstrikot für rund 1000 Euro versteigert habe. Das Geld ging an eine Behinderteneinrichtung. Ich bin ohnehin kein besonders guter Maler und war froh, dass die Sache 2002 damals trotz einiger Widerstände geklappt hat. Selbst mein elfjähriger Sohn Paul kann das besser.“


Teilen Sie diesen Artikel mit Ihren Freunden:

Empfehlung
Quelle: dfb.de
Autor: Henning Klefisch
Schlagworte: Hertha BSC II; Luhukay; Neuendorf; Stevens
Datum: 31.01.2013 18:05 Uhr
Url: http://www.4-liga.com/nachrichten-hertha-bsc-ii-spieler-neuendorf--„ich-sehe-mich-als-freizeitsportler“-3928.html
Vorheriger Artikel:
» Leipziger Neuzugänge mit Bankplatz
Nächster Artikel:
» Kevin Freiberger verlässt Burghausen und schließt sich den Sportfreunden Lotte an

Kommentare

Name:
E-Mail: (nicht öffentlich)
Homepage:
Kommentar:
Spam-Schutz: Bitte das Wort VIERTE in das Feld eintragen!


Für diese News ist leider noch kein Kommentar vorhanden.
Empfehlung
Für den Inhalt des Kommentars ist der Autor verantwortlich. Die Kommentare spiegeln nicht die Meinung von 4-liga.com wieder.

Newsletter

Täglich die neusten News zur Regionalliga im Newsletter:
Sie können wählen, welche News Sie täglich per E-Mail in Form eines Newsletters zugestellt haben möchten. Sie haben die Wahl zwischen allen Regionalliga News, allen News zu einer bestimmten Liga und allen News zu einem bestimmten Verein.
Nach dem Absenden müssen Sie Ihre Anmeldung in einer E-Mail bestätigen.
Die Anmeldung ist kostenlos. Eine Abmeldung ist jeder Zeit über einen Link in den Newslettern möglich.

News:
Verein:
E-Mail:

Erst die Lige auswählen und dann den Verein.
Sie haben eine eigene Homepage? Dann nutzen Sie unsere News als Homepagetool für Ihre eigene Seite. Mehr unter Homepagetools.

Diese News könnten Sie auch interessieren

mehr 4-liga.com

4-liga.com für unterwegs

Aktuelle Regionalliga News

- Gewinnen mit Strategie: Ein Leitfaden für erfolgreiche Sportwetten
- Die Bundesliga-Vertretungen in der Regionalliga
- Die größten Erfolge der Traditionsvereine in der heutigen 4. Liga
- Das sind die Topfavoriten auf den Aufstieg in die 3. Liga
- Regionalliga-Check: Wer hat die besten Chancen auf den Aufstieg?
Zum News Bereich
Empfehlung
Werbehinweis

Die Nutzung der Website ist kostenlos und durch Werbung finanziert. Diese Webseite enthält daher Werbung in Form von Anzeigen, Nennung unterschiedlicher Anbieter und Produktplatzierungen.

Vermarktung: Sportplatz Media
Saison 2020/21
Aufgrund von Corona wird aktuell nur in der Regionalliga West und Südwest gespielt.
bet365
bet365
Die 5 Regionalligen
Ihr Browser unterstützt das Canvas Element nicht!
lade Inhalt
Maske
  • Regionalliga Nord
  • Regionalliga Nordost
  • Regionalliga West
  • Regionalliga Südwest
  • Regionalliga Bayern
Regionalliga News
Facebook
Zufalls Verein
Logo FC Schalke 04 II
FC Schalke 04 II (Regionalliga West)
Anzeige
Suche
Anzeige

by niels-popien.de Projekte